5 Jahre Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - Der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) zieht Bilanz

„Fünf Jahre nach Verabschiedung des AGG ist Diskriminierung noch immer eine gesellschaftliche Realität, mit der viele Menschen täglich konfrontiert sind. Das Gesetz hat daran nicht grundlegend etwas ändern können.“, beginnt Birte Weiß, Vorständin des advd ihre Überlegungen: „Es kann Betroffene in Einzelfällen stärken, aber der Impuls in Richtung einer diskriminierungssensiblen Alltagskultur bleibt zu schwach.“

Bereits in seiner Stellungnahme ein Jahr nach Verabschiedung des AGG formulierte der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) grundlegende Schwächen des Gesetzes wie zu kurze Fristen, das fehlende Verbandsklagerecht sowie die nicht ausreichende Beweislasterleichterung und forderte Nachbesserungen.

„Diese Forderungen haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Die geringe Anzahl an Klagen, aber auch unsere Erfahrungen in der Beratungsarbeit bestätigen, dass die juristischen Hürden zu hoch sind. Auch auf Seiten der Rechtsanwält_innen und Gerichte herrscht oftmals noch Unsicherheit und Unwissen vor.“, kommentiert Weiß, bevor sie ergänzt: „Gleichzeitig ist nicht alles schlecht: Die öffentliche Diskussion ist sachlicher geworden und es hat einige wichtige Urteile im zivilrechtlichen und arbeitsrechtlichen Bereich gegeben - nicht zuletzt wegen der Unterstützungsarbeit unserer Mitgliedsorganisationen. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat mit ihrer neuen Leiterin Frau Lüders und der damit einhergehenden veränderten Prioritätensetzung deutlich an Sichtbarkeit und Profil gewonnen.“

Dennoch, fünf Jahre nach Verabschiedung des AGG wird es Zeit, den nächsten Schritt zu gehen. Ein Blick in die Dokumentation der Beratungsfälle 2010 des advd zeigt, dass die hoch bedeutsame Lebensbereiche Bildung und öffentliche Verwaltung zwar die Hälfte der 361 Beratungsfälle ausmachen, vom AGG in seiner jetzigen Form jedoch nur sehr mangelhaft erfasst sind. „Bildung ist Ländersache und die öffentliche Verwaltung, egal auf welcher Ebene, fällt nicht in den Geltungsbereich des AGG.“, erklärt Daniel Bartel, Vorstand des advd: „Hier haben Betroffene noch viel zu selten das Recht auf ihrer Seite. Das ist einer der Gründe warum es unabhängige Antidiskriminierungsberatungsstellen braucht.“


Den aktuellen Stand der Gleichbehandlung charakterisiert damit auch, dass sich der Bund aber auch die Länder an zentralen Stellen ihrer Verantwortung entziehen. „Viele Menschen messen den Staat nicht an den Worten von Politiker_innen, sondern an seinem Handeln in Verwaltungen, Behörden und Ämtern. Wenn Gleichbehandlung eine Alltagskultur werden soll, muss sie hier vorgelebt werden.“, so Daniel Bartel.

Weniger als eine Handvoll Bundesländer haben eigenständige Antidiskriminierungsstrukturen geschaffen und mit Berlin hat bislang nur ein einziges die Initiative für ein Landesantidiskriminierungsgesetz ergriffen. Dazu Birte Weiß: „Der Gesetzesentwurf der Berliner Verwaltung allerdings hat es in sich. Er setzt konsequent an den Möglichkeiten an, die prinzipiell jedem Bundesland offen stehen und zeigt, was möglich ist. Er wird zukünftige Debatten prägen.“ Neben klaren Antworten auf die bekannten Probleme des AGG thematisiert der Entwurf auch explizit strukturelle Diskriminierung, konkretisiert Nachteilsausgleiche als Handlungsfeld und verpflichtet das Land, seine Gestaltungsmöglichkeiten als Auftraggeber zu nutzen. Birte Weiß: „Ob der Entwurf tatsächlich ein Gesetz werden wird, ist aktuell noch offen. An der Diskussion wird sich ablesen lassen, wie weit wir als Gesellschaft in den vergangenen fünf Jahren tatsächlich gekommen sind.“

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Anlässlich des fünfjährigen Jubiläums hat der advd Vertreter_innen seiner Mitgliedsorganisationen zu einem Gespräch eingeladen und gefragt: Was ist der aktuelle Stand in Sachen Antidiskriminierung in verschiedenen Bundesländern? Das Gespräch finden Sie hier

 

Pressekontakte:

Daniel Bartel (Vorstand des advd): 0341-3039492
Birte Weiß (Vorständin des advd): 0157-88920880