ARIC-NRW startet neues Projekt zum Diskriminierungsschutz für Flüchtlinge

Geflüchtete Menschen tragen aufgrund ihrer ungesicherten aufenthaltsrechtlichen Situation sowie ihrer prekären Lebenslagen, ein erhöhtes Risiko für institutionelle, strukturelle und individuelle Diskriminierungen. Sie geraten auch verstärkt in den Fokus sich verschärfender rassistischer Diskurse.

Eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes[1] im Jahr 2016 unter Migrations- und Flüchtlingsberatungsstellen zeigt, dass unter ihnen knapp neun von zehn die Erfahrung machten,  dass Geflüchtete im Gespräch von Diskriminierungserfahrungen berichten. Die Benachteiligungen finden überwiegend aus rassistischen Gründen (94%), aber auch aufgrund der Religion(68) und des Geschlecht(28%) statt. Auch berichten 81 % der befragten Stellen, dass Ungleichbehandlungen intersektional wirken, also Aufenhaltsstatus mit anderen Merkmalen wie Behinderung oder sexuelle Identität zusammenwirken und sich ggfs. verstärken.

„Es gab da so einen Fall im Jobcenter, wo er so richtig runtergemacht worden ist. Er wollte nur einen Antrag, eigentlich braucht er den nur ausgefüllt abgeben und er ist dann praktisch richtig ausgeschimpft worden, warum er den nicht schon vorher ausgefüllt hat (…) und wenn er sozusagen sich da nicht richtig verhält, obliegt es dem Sachbearbeiter, ob er ihm das Gehalt für den nächsten Monat dann auszahlt oder nicht. Er habe sich da an die Regeln zu halten usw. (Interview 7 der ADS-Untersuchung)

Besonders häufig erleben geflüchtete Menschen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt (80%), bei Ämtern oder Behörden (68%) im Arbeitsleben (64%) sowie bei Geschäften und Dienstleistungen (52 %), wie die befragten Beratungsstellen berichten.

Zudem ergab die Untersuchung dass laut der befragten Fachstellen Flüchtlinge und Asylsuchende vielfältige Diskriminierungsformen erleben: Von Beleidigungen (52%) über die Verwehrung von Leistungen (76 % ) bis hin körperlichen Anfeindungen (25%).

„Also die Situation, wo sie so eine Abneigung erfährt oder so eine Abweisung, das ist nicht so, dass das sienicht trifft. Also, es ist schon eine Art von Verletzung und es gibt dieses grundsätzliche Gefühl: Man ist nicht in seinem Land, man bekommt auch nicht die Wertschätzung, die man gewohnt ist, also man wird schonnicht so wertgeschätzt, wie man das eigentlich kennt.“  (Interview 18 der ADS-Untersuchung)


Insbesondere die Interviews mit den Schutzsuchenden verdeutlichen, dass die Diskriminierungserfahrungen großen Einfluss auf ihr Wohlbefinden und ihr eigenes Verhalten haben: Diskriminierungserfahrungen führen zu Resignation oder dem Einschränken des eigenen Verhaltens sowie zu Traurigkeit, Ärger oder auch Aggressionen. Darüber hinaus verdeutlichen beide Befragungen, dass die Diskriminierungserfahrungen sich negativ auf die Teilhabe der Geflüchteten innerhalb der Gesellschaft, beispielsweise durch den erschwerten Zugang zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt, auswirken.

Die Untersuchung der Antidiskriminierungsstelle zeigt auch, dass die befragten Stellen Unterstützungsbedarfe sehen z.B. Informationsmaterial zum Diskriminierungsschutz (77%)  oder Qualifizierungen für Fachkräfte und Ehrenamtliche (62%).

Hier setzt das Modellprojekt Kompass F -Kompetenzentwicklung im Diskriminierungsschutz für Flüchtlinge an. Zielperspektive ist der Kompetenzaufbau bezüglich Interventionsstrategien zum Abbau von Diskriminierungen. Voraussetzung ist eine rassismuskritische, differenzsensible und intersektionale und auf Empowerment ausgerichtete Beratungs- und Unterstützungsarbeit.

Exemplarisch entwickelt das Projekt „Kompass F“ mit den Einrichtungen der Flüchtlingshilfe des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes NRW systematisiertes Hintergrund- und Anwendungswissen sowie passgenaue Interventionsstrategien zur Abwehr und zum Abbau von Diskriminierungen von geflüchteten Menschen.

  • Analyse der Diskriminierungsrisiken sowie der Arbeitsfelder der Unterstützungsstruktur für geflüchtete Menschen in NRW: qualitative Befragung von Betroffenen | Befragung von Flüchtlingsinitiativen und Beratungsstellen | Recherche zu Diskriminierungsfällen und –feldern u.a. mittels einer internetgestützten Falldokumentation; Sekundäranalyse vorhandener Untersuchungen; Anfertigung eines Forschungsberichts | Entwicklung einer themenspezifischen Handreichung für Berater*innen und Unterstützer*innen
  • NRW-weite Ko‐Beratung bei Diskriminierungsfällen und Fachberatung für paritätische Einrichtungen zu Schutzkonzepten
  • Workshops zur Sensibilisierung und Qualifizierung von Berater*innen und Unterstützer*innen von Geflüchteten bezüglich Diskriminierung von geflüchteten Menschen und Interventionsmöglichkeiten und rassismuskritischer, intersektional und auf Empowerment ausgerichteter Arbeit mit Geflüchteten
  • Entwicklung einer internetgestützten Tool-Box für den Diskriminierungsschutz für Geflüchtete

Das Projekt kooperiert mit dem Paritätischen NRW, Paritätischen Mitgliedorganisationen vor allem im Bereich der Flüchtlingsarbeit, dem Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd), Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), wissenschaftliche Begleitung durch Prof. Beate Küpper (Hochschule Niederrhein).

 

Laufzeit: 15.03.2016 – 31.12.2019

Kontakt:

Lisa-Marie Rüther | Hartmut Reiners
Projekt Kompass F - Kompetenzentwicklung im Diskriminierungsschutz für Flüchtlinge
Anti-Rassismus Informations-Centrum, ARIC-NRW e.V.
Mauritiussteinweg 36a, 50676 Köln
Tel: 0221 310972-60 /61/62
PC-Fax: 0203 93 57 466

Website
kompassf@aric-nrw.de

   

Gefördert vom
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[1] Diskriminierungsrisiken für Geflüchtete in Deutschland, Eine Bestandsaufnahme der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2016 Link zur Studie